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Army of Two – The 40th Day: Drücke X für Kategorischen Imperativ

Army of Two 1Moment … lasst mich gerade mal die dicke Staubschicht von den Screenshots wischen. Das sieht hier ja aus als hätte schon ewig niemand mehr durchgewischt. Ähem … oder anders gesagt. Verzeiht die erneute längere Durststrecke. Würden die zahlreichen Leser des Blogs häufiger über Partnerlinks bei Amazon einkaufen (so dass ich allein durch diesen Blog unfassbar reich werde), dann würde so etwas nicht passieren. Eigentlich seid ihr also gerade selber schuld, zahlreiche Leser! Ha! (Notiz an mich: bevor ich das veröffentliche, sollte ich unbedingt noch einmal recherchieren, ob Schuldzuweisungen im allgemeinen gut bei Lesern ankommen). Gott sei Dank gibt es treue Gastautoren wie Dirk M. Jürgens, der sich heute mit dem leidigen Thema Moral in Videospielen beschäftigt (mit dem auch ich mich demnächst beschäftigen werde … vermutlich). Versüßt wird das Ganze noch durch fantastische Illustrationen, die beweisen, dass Dirk in informierten Kreisen nicht umsonst als einer der talentiertesten Webcomiczeichner Deutschlands bekannt ist. Ich übergebe das Wort:

Moral im Videospiel ist ein Thema, zu dem schon eine ganze Menge geschrieben wurde. Das Abweichen von simplen Gut-Böse-Schemata bietet dem oft verkannten Medium künstlerische Weiterentwicklung, ist aber schwer umzusetzen. – Wir alle erinnern uns an rührend untaugliche Versuche, wie „Bioshock“, welche uns Pseudo-Gewissenskonflikte stellen, ob wir für kleinen Gewinn Kinder fressen, oder sie für größeren Gewinn verschonen.

Dem Vernehmen nach soll „Papers please“ kürzlich tatsächlich Erfolge auf diesem Gebiet erzielt haben, ich bin aber heute hier, um stattdessen über einen Fall zu spotten, der so versagt hat, wie vielleicht noch nie einer zuvor:

armyoftwo_2„Army of Two – The 40th Day“ ist der zweite Teil einer (mit seiner schrägen Männerromantik quasi zu Schwulenwitzen zwingenden) Third-Person-Shooterreihe um toughe Söldner mit Fetischmasken und macht spielerisch durchaus Spaß. Er ist selbst nach Shooterverhältnissen storyarm: Unsere Helden, die ich Bear und Twink nenne (ich sagte ja…) sind in Hongkong, als dieses von einer Sölderarmee überfallen wird. Ein Grund wird nie wirklich gesagt, im Showdown schwallert der Anführer etwas biblisches, es scheint aber wohl tatsächlich sein sinnloses Privatvergnügen zu sein. Und das war’s. Ernsthaft.

Man hat aber dennoch offenbar höhere Ambitionen und vermutlich zum – spielerisch unterlegenen, erzählerisch jedoch weit überlegenen – „Spec Ops: The Line“ geschielt (DISCLAIMER: Ja, ich mag das Spiel, aber solange es darum geht, Spaß am Abknallen zu haben, nehme ich ihm das Label „Antikriegsspiel“ nicht ab). Das Booklet erklärt uns extra, dass man immer wieder moralische Entscheidungen zu treffen hat und diese nicht einfach wären, da das Leben nun einmal nicht einfach schwarz und weiß wäre. – Es ist nämlich blau und rot. Das sind die Farben, in denen positive bzw. negative Moralpunkte vergeben werden. Also genau das duale System, was man behauptet, nicht zu sein. Der Twist ist dabei, dass die Entscheidungen die man treffen muss, zu ungeahnten Konsequenzen führen, also auch eine gute Tat zu schlimmen Folgen führen kann.

Manche dieser moralischen Prüfungen sind einfach nur absurd: In einer Schießerei kannst du ein Kind in den Kugelhagel schicken, dir ein Gewehr holen (Superüberraschung: der Kleine wird abgeknallt). Ebenso kannst du dein Arsenal erweitern, indem du im Zoo den letzten weißen Tiger erschießt. Der Gag bei der Sache: Du bist schon bis auf die Zähne bewaffnet. Es geht hier mitnichten um dein Überleben, sondern nur um das Achievement, alle Waffen gesammelt zu haben.

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Aber dann gibt es noch die absolut hirnrissigen Prüfungen: Ein russischer Söldnerkollege hat dich gerettet und möchte nun feiern, indem er eine Zivilistin vergewaltigt… lässt du ihn gewähren, oder hältst du ihn auf, obwohl er dir doch geholfen hat? Entschließt du dich, die Menschlichkeit höher zu bewerten, als die Dankbarkeit, erlebst du eine böse Überraschung: Die Frau entpuppt sich in einer Zwischensequenz als Auftragskillerin und ihre nächste Zielperson ist ein Baby.

Ja, liebe Kinder, ihr habt richtig gelesen. Das passiert, wenn man nicht vergewaltigt.

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Wie dem auch sei: In diese Hirnigkeitskategorie fällt auch der Showdown des Spiels. Wieder ganz wie bei „The Line“ gibt es keinen richtigen Kampf mit dem Oberschurken, stattdessen erklärt dieser, eine Atombombe im Gepäck zu haben. Wenn man ihn erschieße, würde diese ganz Hongkong mit all seinen Bewohnern vernichten und er nehme nur davon Abstand, wenn man seinen besten Kumpel (also Spieler 2) umlege.

armyoftwo_5DAS ist tatsächlich mal eine moralische Entscheidung, die nicht ganz einfach ist, nur hakt sie natürlich an der mangelnden Vertrauenswürdigkeit dessen, der sie vorträgt. Wer überlegt denn, ob ein Leben Tausende aufwiegen kann, wenn die wahre Frage ist, wieviel man auf das Wort eines Terroristen und Massenmörders geben kann? Entsprechend war meine erste Reaktion auch ein Vollmantelgeschoss zwischen die Augen des Schurken. Und Überraschung: Er hatte geblufft und es gab gar keine Atombombe. Der Tag war gerettet… und mir eine Ladung moralischer Minuspunkte verpasst. „The 40th Day“, welches behauptet, keine simple Schwarz-Weiß-Moral zu haben, erklärt es für unzweifelhaft gut, seinen Buddy unter so suspekten Umständen abzuknallen und unzweifelhaft böse, den richtigen Instinkt zu haben, einem Superschurken nicht zu trauen.

Nach all diesen Nachdenklichkeiten müsste ich jetzt eigentlich mit einem fröhlichen Schwulenwitz schließen, aber ich habe leider keine Zeit, da ich noch etwas zu vergewaltigen habe… zum Wohl der Kinder, versteht sich.

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Amazon-Einkauftipps (hüstel): „Army of Two: The Devil’s Cartel“ bei Amazon kaufen (ja … falscher Teil … die „Army of Two“-Spiele sind im allgemeinen jedoch nicht beliebt bei den deutschen Behörden). Alternativ kann man natürlich auch einfach eines von vielen anderen moralisch verderblichen Spiele erwerben.

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