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Bible Chronicles – Der Herr sei mit uns!

bible„Sex Pot“, „Megashark vs. Crocosaurus“ und „Hillside Cannibals“ … das sind die klangvollen Titel dreier Filme, die von dem umtriebigen Produktionshaus „The Asylum“ verbro… ähm … produziert wurden. Das Portfolio von „The Asylum“ besteht aus einer bunten Mischung von Mockbustern, Tierhorror und dem gelegentlichen Soft-Sex-Filmchen. Die Merkmale der meisten Asylumfilme sind: minimale Budgets, sehr spezielle Spezialeffekte und hastig hingerotzte Drehbücher. Ach ja … und Haie. So manch einer mag bereits über Werke der berüchtigten Filmschmiede gestolpert sein … sei es als Trashfilmgourmant, sei es im RTL 2 – Nachtprogramm oder sei es beim gemütlichen Filmabend, bei dem man lernen musste, dass „Transmorphers 2“ und „Transformers 2“ keine identischen Filme sind. „Das ist ja alles schön und gut“, mag sich der aufmerksame Leser nun fragen, „… aber was zum Teufel haben Riesenhaie, Kannibalen und sexuell stimulierendes Marihuana mit einem Bibelspiel zu tun?“ Ganz einfach …

…“The Asylum“ betreibt neben dem Geschäft mit Haien und Filmen, die zufälligerweise ähnlich betitelt sie wie aktuelle Blockbuster, auch noch ein Unterlabel namens „Faith Films“. Dieses produziert Filme mit religiösen Themen. Na Hoppla … wie passt das denn zusammen? Ist die „Asylum“-Geschäftsleitung etwa streng gläubig und produziert den anderen Schund nur deshalb, weil man ja von irgendetwas leben muss? Möglicherweise. Es mag aber auch damit zusammenhängen, dass es in Amerika einen relativ zahlungswilligen Markt für religiöse Medien gibt. Nicht nur kleine Labels wie „The Asylum“ betreiben christlich-religiöse Zweigstellen, auch große Studios wie Fox sind auf diesen Zug aufgesprungen.

THE BIBLE SCROLLS

Damit komme ich zum eigentlichen Thema dieses Beitrages: „The Bible Chronicles – Call of Abraham“, ein RPG, welches derzeit auf der Crowdfundingplattform Kickstarter eine Kampagne laufen hat. Nun möchte ich den „Phoenix Interactive Studios“ nicht vorwerfen, dass sie das Projekt aus rein kommerziellen Beweggründen ins Leben gerufen haben, aber mit all den gerade erlangten Informationen im Hinterkopf, kann man sich vielleicht selbst die Frage beantworten, die einem direkt auf der Zunge brennen könnte, wenn man das erste Mal von dem Spiel hört: „Wer will denn sowas?“ Wie man sieht … es gibt ein potentielles Publikum. Eventuell ist das Hauptanliegen der Macher tatsächlich die religiöse Erziehung der verdorbenen Jugend, doch ganz davon abgesehen könnte es sich auch finanziell durchaus rechnen.

bible chronicles2Christliche Videospiele sind kein neues Phänomen. Das prominenteste Beispiel ist der Hersteller „Wisdom Tree“, der in den frühen 1990-igern Jahren damit begonnen hat, den Markt der religösen Gamer zu bedienen. „Wisdom Tree“ produzierte eine Reihe unlizensierter Bibelspiele für das NES und SNES. Dabei ernteten sie zwar nur wenig Gegenliebe von Nintendo, konnten aber mehr oder weniger unbeschadet ihrem Treiben nachgehen. Und das offenbar erfolgreich (oder zumindest erfolgreich genug) … die Firma existiert noch heute und ist weiterhin im religiösen Spielemarkt aktiv. Sollte ich nun das Interesse an den Spielen von „Wisdom Tree“ geweckt haben: der Angry Video Game Nerd hat einige sehenswerte Videos zu deren NES- und SNES-Titeln gemacht.

SO GOTT WILL

Der Kickstarter von „Bible Chronicles“ läuft mittlerweile seit 17 Tagen und steht momentan bei knapp 17.000 $. Das Ziel sind jedoch 100.000 $ und die „Phoenix Interactive Studios“ haben noch 13 Tage Zeit, dieses zu erreichen. Vielleicht sollten die Initiatoren also das ein oder andere Stoßgebet gen Himmel schicken … denn ohne göttliche Hilfe könnte das eng werden. „Moment“, schreit nun der weiterhin aufmerksame Leser auf, „hast du nicht den halben Artikel damit verplempert zu erklären, dass christliche Medien zumindest in Amerika eine ordentliche Zielgruppe haben? Wie können die armen ‚Phoenix Interactive Studios‘ denn dann bitte scheitern?“ Das ist ein berechtigter Einwand, verehrter aufmerksamer Leser. Wie kann das sein?

Die Kickstarter-Kampagne ist offensichtlich nicht auf Hardcore-Videospieler ausgelegt. Das (mittlerweile leider nicht mehr verfügbare) Proof-of-Concept-Video wird kaum jemanden von den Socken hauen, der in den letzten 10 Jahren einen Controller in der Hand hatte. Die Grafik ist … ähem … okay, wenn auch ein wenig steril. Da es sich allerdings vermutlich um Pre-Alpha-Footage handeln dürfte, ist das zu vernachlässigen. Immerhin versprechen die Macher Top-Notch-Grafik für das Endprodukt. Davon abgesehen ist allerdings auffällig, dass man auf der Kampagnenseite mehr Informationen über die Pastoren und sonstigen Geistlichen findet, die die Produktion als Berater unterstützen, wie über die eigentlichen Programmierer. Man bekommt zwar versichert, dass alle Beteiligten erfahrene Veteranen der Spieleszene sind, genaueres erfährt man allerdings nur über die beiden Geschäftsführer (die wiederum nicht unbedingt Entwicklerlegenden sind). Tatsächliche Informationen über Spielmechaniken sind ebenfalls eher rar gesät. Gewissenhafte Bibeltreue wird jedoch mehrfach garantiert. Wie gesagt: Die Zielgruppe der Kampagne sind nicht Videospieler. Die Zielgruppe sind vermutlich christliche Eltern, die ihren Kinder das Teufelswerk Videospiel nicht verbieten möchten, gleichzeitig aber sicherstellen wollen, dass ihre Sprößlinge wenigstens etwas spielen, an dem auch Baby Jesus seine Freude hätte. Die Frage ist nur: wie oft verirren sich diese auf kickstarter.com. Die Antwort: offenbar eher selten.

A NEW FRONTIER IN TOP QUALITY VIDEO GAMES

Und das Spiel selbst? Könnte das etwas werden? Das lässt sich auf Grundlage eines holprigen Videos, einiger Konzeptzeichnungen und vereinzelter Work-in-Progress-Renderings natürlich nur schlecht sagen. Ich persönlich würde es mir höchstens aus einer gewissen – ich nenne es mal – morbiden Neugierde anschauen … wenn es denn jemals fertig gestellt werden sollte (mir ist allerdings auch alles ein wenig suspekt, das stark religiös motiviert ist). Ein wirklich gutes Spiel sollte vermutlich niemand erwarten. Ein kleines bisschen Neugierde ist bei mir allerdings vorhanden. Wirklich bibelfest bin ich nicht. Über Abraham meine ich zu wissen, dass er viele Kinder gezeugt hat und recht alt geworden ist. Wie soll dieses Spiel aussehen? Sehr kampfzentrisch kann es ja kaum werden. Natürlich würde das alte Testament auch die eine oder andere blutige Szene und launige Schlacht bieten, diese abzubilden würde allerdings vermutlich dem moralisch-geistlichen Ansatz der Macher widersprechen:

We are all aware of the morally questionable messaging most promote. By financially backing this project, we can change the video game industry together and provide a game that satisfies your desire for entertainment and has a strong spiritual message. – Richard Gaeta, Co-Gründer von „Phoenix Interactive Studios“

Vielleicht dreht sich ja auch alles um die Zeugung möglichst vieler Kinder. Das ist immerhin sehr christlich … solange es nicht zu grafisch wird. Ja … doch … neugierig wäre ich wie gesagt. Wenn ein Hersteller dann allerdings ankündigt mit 100.000 $ bis Thanksgiving 2014 ein Rollenspiel zu produzieren, welches vermutlich eine der größte Spielewelten aller Zeiten zur Kulisse hat … dann werde ich auf der Stelle misstrauisch. Wenn der gleiche Hersteller dann auch noch folgendes auf seiner Homepage verkündet:

Phoenix Interactive Studios is a pioneering video game development company dedicated to leading the industry into new frontiers of top quality video games.

… dann kreische ich dreimal „Jehova“ und renne wahnsinnig gackernd in den Sonnenuntergang. Aber das bin ja nur ich. Sollte das jemand anders sehen, kann derjenige das natürlich in den Kommentaren kund tun. Ich lasse mich gerne vom Gegenteil überzeugen.

Möchte man „Bible Chronicles – Call of Abraham“ unterstützen kann man dies via Kickstarter oder Steam Greenlight machen. Ich verurteile da niemanden.

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